Angelika, ich stelle mir vor, du setzt dich morgens an deinen Schreibtisch im Verlag. Was muss passieren, dass es zu einem sehr schönen Arbeitstag wird? Und was macht es zu einem, nun ja, eher unangenehmen Tag?
Wenn Kaffee und Butterbrezeln da sind, fängt das schon mal gut an. Danach wäre es nett, ein paar Bestellungen im Webshop zu haben. Dazu eine Presseanfrage, die eines unserer Bücher auf einer ganzen Seite besprechen möchte, dann bin ich schon mal sehr gut gelaunt.
Was ich ausgesprochen ungern mag, sind Mails von Kunden von uns, die ihre Bücher nicht bekommen haben oder die beschädigt ankamen. Remissionen von Großhändlern, und noch ein paar zu hohe Rechnungen oder Mitteilungen vom Drucker, dass eine Papiersorte gerade nicht mehr oder nie mehr lieferbar ist…
Ich vermute, es gibt mehr Butterbrezeln-Tage als Schlechte-Nachrichten-Tage. Immerhin existiert Hartmann Books ja schon seit 2016. Warum habt ihr, du und dein Mann Markus Hartmann, den Verlag gegründet?
Eigentlich wollten wir das gar nicht, weil wir viel zu genau wissen, wieviel Arbeit das macht und wie kleinteilig diese Arbeit ist. Wir kommen beide aus der Verlagswelt, ich habe im Bereich Herstellung und Projektmanagement gearbeitet, Markus war Programmleiter der Fotobücher bei Hatje Cantz. Als dann aber Metro Pictures, New York, uns fragte, wen wir denn für ein Cindy Sherman Buch empfehlen könnten, waren wir doch einigermaßen geschmeichelt und fanden das dann sehr spannend. Also haben wir innerhalb recht kurzer Zeit das Buch konzipiert und gleichzeitig unseren Verlag gegründet. Das geht überraschend einfach: man braucht erst mal nur eine ISBN-Liste, und muß sich im VLB (Verzeichnis lieferbarer Bücher) anmelden, damit die Bücher auffindbar werden. Das Buch von Cindy Sherman hieß dann „2016“; sodass wir uns in der Tat immer an das Datum der Verlagsgründung erinnern.
aktuelle Bücher aus dem Verlag Hartmann Books.
Und das Projekt „Projects“?
Die Projects waren die ursprüngliche Idee für unsere Selbstständigkeit. Wir wollten eine Künstleragentur aufbauen, in der wir Künstler, Ausstellungen und Projekte vermitteln. Durch die vielen Jahre Erfahrung im Verlag waren wir, bzw besonders natürlich mein Mann, gut in viele Bereiche des Kulturbetriebs vernetzt. Die Idee, diese verschiedenen Akteure – also die Ausstellungshäuser, Museen, Galerien, die Presse, Sammler und Künstler zusammenzubringen, schien uns sehr sinnvoll und spannend. Wir waren sogar aus dem Stand heraus sehr erfolgreich damit. Gleichzeitig haben wir aber auch festgestellt, dass es uns nicht lag, uns fest an Künstler zu binden, und wir lieber frei und spielerisch Chancen nutzten, ohne uns vertraglich zum Erfolg zu verpflichten. Und wir haben festgestellt, dass Bücher für diese Art der Kunstvermittlung immer noch ein wichtiges Medium und Kontaktmittel sind, sodass sich am Ende dann doch beide Felder, die Vermittlung und die Verlagstätigkeiten schön zusammengefügt haben.
An eine deiner Vermittlungen erinnere ich mich sehr gut. Ich hatte einen euphorischen Brief geschrieben, weil ich hin und weg war von einem Buch, das gerade bei euch veröffentlicht wurde. Ich arbeitete an einem ähnlichen Thema, war aber sehr unsicher. Da hast du mich sozusagen mit einem der Fotografen des Buches „liiert“. Er hat mich sehr ermutigt und wir haben so lange miteinander telefoniert, bis sein Akku komplett leer und mein Kopf mit Ideen komplett voll war.
So gefällt mir das. Ich erinnere mich an deine Mail und dass ich versprochen hatte, diese an die Fotografen weiterzuleiten. Was daraus dann immer so wird, weiß man nicht; manchmal passiert auch gar nichts weiter. Doch in diesem Fall führte das ja wohl zu einem kreativen Schub. Und nun sind wir hier über ganz andere Wege zu diesem Gespräch zusammengekommen, und somit schließt sich wieder ein Kreis.
Blick ins Galerienhaus in der Breitscheidstraße 48 in Stuttgart. Ausstellungs-, Galerieraum und Verlagsbüro von Hartmann Books, wo 5–6 Ausstellungen pro Jahr gezeigt werden..
War deine Lust und Fähigkeit, Netzwerke herzustellen, auch ein Grund dafür, dass du und dein Mann Mitglied bei laif geworden seid?
An erster Stelle wollten wir die freie Presse und den freien Bildjournalismus unterstützen. Gar nicht so sehr aus einer beruflichen Sicht heraus, sondern ganz einfach, als Bürger einer Demokratie. Wir alle müssen uns das immer wieder klar machen, wie wichtig es ist, dass es freie Berichterstattung in ihrer Vielfalt gibt. Diese Freiheit wollten wir unterstützen. Die Idee einer Genossenschaft ist aber auch genau die Art von Gemeinschaft und Vernetzung, die mir gefällt. Als kleiner Verlag arbeiten wir mit einem breiten Netzwerk freier Mitarbeiter, mit denen wir hoffentlich auf Augenhöhe und als gemeinsames Team unsere Bücher realisieren. Ich mag die Idee des „Gemeinsam sind wir stärker“ sehr gerne. Außerdem kennen wir laif und einige der Fotografen schon sehr lange und haben schon mehrere Bücher mit verschiedenen Mitgliedern gemacht.
aktuelle Bücher aus dem Verlag Hartmann Books.
Noch mal zurück zu den Büchern: Was sind deine Auswahlkriterien?
Wie soll ich das bloß in Kürze beschreiben? In Stichworten vielleicht so: Es muss uns gefallen. Gefallen heißt, wir müssen das Projekt für gesellschaftlich, politisch oder auch ästhetisch für relevant halten. Und ich möchte, dass die Bilder mir eine Geschichte erzählen. Vielleicht sogar auf verschiedenen Ebenen. Wenn etwas zu glatt oder nur schön für mich ist, zündet das eher schwer. Der Erscheinungstermin muss außerdem zeitlich ins Programm passen, damit nicht zu viele Bücher gleichzeitig erscheinen – und die Finanzierung ist natürlich immer ein großes Thema, ob ein Buch realisiert werden kann oder nicht. Und gut verstehen müssen wir uns mit den KünstlerInnen ebenfalls.
Was würde Hartmann Books gar nicht veröffentlichen wollen?
Alle Themen, die wir nicht für relevant halten, allzu oberflächliche, schöne, glatte Bilder und Themen oder auch Bücher mit Prominenten, deren Bilder nur Beachtung finden, weil sie in einem ganz anderen Metier populär sind
aktuelle Bücher aus dem Verlag Hartmann Books.
Was hat sich in den letzten Jahren verändert für Fotobuchverlage?
Die Kalkulation ist heute eine ganz andere als vor 10/15 Jahren, als die Auflagen noch höher und die Produktionspreise deutlich niedriger waren. Es wird nicht einfacher gute Fotobücher zu machen und zu verkaufen, aber in welcher Branche kann man das denn schon sagen….
Hast du eigentlich die Erfahrung gemacht, dass Projekte, bei denen du oder ihr gezögert habt, dann doch sehr erfolgreich wurden?
Ja, immer wieder passiert es, dass ein Buch, dass wir nicht so stark einschätzen, erfolgreicher wird, als erwartet, meistens hängt das dann mit einem ebenfalls überraschenden Medienecho zusammen und oft hilft da auch der Zufall, dass ein Thema plötzlich Aufmerksamkeit bekommt, aufgrund aktueller Ereignisse und wir zufällig dafür das richtige Buch haben.
Fotografierst du eigentlich selbst?
Das mach’ ich so gut wie gar nicht. Mit geht es sehr oft so, dass ich nach einem Erlebnis denke, ich hätte zu gerne Fotos, als Erinnerung…ganz ohne künstlerischen Anspruch – und selbst das schaff ich nicht. Wenn ich irgendwo bin, bin ich meist viel zu sehr im Moment und selten ein Beobachter.
Herzlichen Dank für das Gespräch.